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Freitag, 31. März 2017



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Interview: Lucie spricht offen über ihre Homosexualität

-Wie sie ihrer Homosexualität im Alltag begegnet-

Ich kenne Lucie jetzt schon ziemlich lange. Um genau zu sein seit der Grundschule und ich war ziemlich überrascht, als ihr Outing publik wurde. Doch warum ist man immer überrascht, wenn sich jemand outet? Statistiken besagen, dass in einer gemischten Gruppe von 40 Leuten eine Person dabei ist die homo/bi-sexuell veranlagt ist und trotzdem haben viele immer ein komisches Gefühl dabei, wenn sich jemand aus dem nahen Bekanntenkreis oder jemand aus der Familie outet. Heutzutage ist es keine Schande mehr offen zu seiner Sexualität zu stehen. Stars haben es auch getan. Elton John, Cara Delevingne, Kristen Stewart, Neil Patrick Harris, Ellen Degeneres. Sie haben es alles getan. Sich geoutet. Klar geht es hier auch um Lucies Erfahrungen rund um ihr Outing, doch vielleicht schafft sie es ein Paar Klischees aus den Köpfen zu räumen. Lucie ist ein total starkes Mädchen und ich freue mich so sehr darüber, mit welch einem Selbstbewusstsein sie ihr Outing lebt.
 
Wem hast du dich mit dem Gedanken ,, Ich bin Lesbisch ‘‘ zuerst zugewandt?
Ich bin als aller erstes zu meiner besten Freundin gegangen. Wir sind irgendwie spontan auf das Thema gekommen und dann habe ich ein bisschen weitergebohrt. Im weiteren Gespräch kamen wir auch auf so typische Fragen wie ‚, Findest du das schlimm wenn jemand lesbisch ist?‘‘ Als wir dann noch ein wenig weitergequatscht hatten, lenkte ich das Gespräch ein wenig in die Richtung und habe mich einfach getraut und ihr gesagt, dass ich lesbisch bin. Sie hat das alles cool aufgenommen und ich war ziemlich erleichtert es gesagt zu haben.

Als du dich dann bei deiner besten Freundin geoutet hattest und nach und nach immer mehr Leuten in deinem Freundeskreis alles erzählt hattest, blieben ja noch deine Eltern und deine Familie. Warst du da besorgt es könnte sich viel verändern oder sogar auf Abneigung stoßen zu all dem, dass dein Stiefvater ehemaliger katholischer Pastor ist?
Vorerst hatte ich ziemlich Angst vor meinem Outing in meiner Familie, aber ich konnte/wollte es auch einfach nicht mehr verheimlichen. Als erstes habe ich mich meiner Mama anvertraut, da ich mit ihr mehr im Kontakt stehe als mit meinem Papa, da ich bei ihr wohne. Das war eigentlich eine mehr oder wenige spontane Aktion. Wir waren zusammen im Urlaub und wollten abends zum Strand, da habe ich mir schnell einen Pullover von meiner Freundin drübergezogen und da das schon eher nen bolleriger Pullover war hätte man vermuten können das er von einem Jungen sein könnte. Meine Mama hat mich dann immer weiter gelöchert von wem der Pulli sein könnte bis ich ihr dann gesagt habe, dass das der Pullover meiner Freundin ist und wir zusammen sind. Sie hat es aber auch echt gut aufgenommen und mich gedrückt und gesagt ,,Ich will einfach, dass du glücklich bist. ‘‘.Meinem Stiefvater, der auch mit im Urlaub war, wollte ich das alles irgendwie nicht sagen. Ich hatte halt einfach Angst vor seiner Reaktion und dann habe ich Mama gefragt, ob sie das für mich vielleicht ein wenig übernehmen könnte. Auch er hat total toll reagiert ‚, Du sollst lieben, wen du möchtest, wenn du damit glücklich bist freue ich mich für dich! ‘‘ und hat mich in den Arm genommen. Nachdem es dann die eine Hälfte wusste musste ich es der anderen Seite auch noch sagen. Mit meinem Papa gehe ich zwischendurch mal essen, da wir uns nicht mehr so oft sehen. Wenn wir dann unterwegs sind, reden wir viel über neue Dinge und was halt eben so ansteht. Da kam dann auch die Frage nach der Liebe auf, ob es bei mir jemanden gäbe. ‚,Ja es gibt wen, aber egal‘‘. Als ich dann gelöchert wurde mit allen erdenklichen Möglichkeiten an Partnern, ob es ein Rollstuhlfahrer, jemand mit Behinderung, jemand viel älteres sei und ich immer mit nein geantwortet habe, hat er nach einem Mädchen gefragt und ich habe dann einfach zugestimmt. Von allen und auch von meinem Papa habe ich meine absoluten Wunschreaktionen bekommen! Er meinte einfach ,, Ich bin da ziemlich offen, es ist egal wen du liebst! Ich Freue mich für dich‘‘

Du warst ja vor deiner Freundin auch schon mit Jungs zusammen und auch in sie verliebt, wie hast du das mit dir selbst ausgemacht bzw. wie hast du gemerkt, dass du lesbisch bist?
Klar habe ich damals schon mal darüber nachgedacht etwas mit einem Mädchen anzufangen, aber man gesteht sich das ja nicht direkt ein. Ich weiß nicht ob aus heutiger Perspektive ,,verliebt sein‘‘ der richtige Ausdruck ist. Das was ich jetzt für meine Freundin empfinde ist irgendwie auf einer ganz anderen Ebene. Ich meine klar ich bin auch älter geworden, aber das fühlt sich für mich jetzt richtig an und das ist auch gut so.

Wie haben deine Ex-Freunde reagiert? Weißt du da von irgendwelchen Reaktionen?
Also so wirklichen Kontakt habe ich da nicht mehr, aber das was man dann doch hört soll ganz positiv sein. Ich habe gehört man ist glücklich, dass ich wen gefunden habe den ich liebe und ich auch so lieben kann, wie ich es wirklich möchte.

Was gibt dir eine Frau, was dir ein Mann nicht geben kann?
Das hängt nicht vom Geschlecht ab. Gefühle sind Gefühle und entstehen aufgrund der Tatsache, dass man jemanden gern hat. Ich glaube so könnte auch ein Hetero antworten. Auf der sexuellen Basis ja klar, das ist ein Unterschied, aber von den Gefühlen her nicht.

Wann hast du das erste Mal gemerkt, dass du dich für Mädchen interessierst?
Bewusst geworden ist mir das beim Feiern. Ich habe da halt vorwiegend mehr nach Mädchen Ausschau gehalten, was auf ein heterosexuelles Mädchen ja eigentlich nicht passt. Und irgendwie war das auch anders als sonst.

Auf was wir Jungs bei Mädchen achten ist ja eigentlich bekannt, aber auf was achten lesbische Mädchen bei Mädchen?
Also rein optisch gesehen ist es ja so, dass man einen bestimmten Typ von Mensch immer für sich bevorzugt. Ich gucke da meist schon immer aufs Gesicht als ausschlaggebendes ‘Kriterium‘, aber andere Blicke gibt es natürlich auch
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Habt ihr bei euch in der Beziehung einen männlichen oder weiblichen Part bzw. was hältst du im Allgemeinen von einer Rollenverteilung in homosexuellen Beziehungen?
Ich finde sowas Quatsch. Eine Verteilung von ,,Rollen‘‘ ist Charaktersache und hängt nicht vom Aussehen ab. Allgemein halte ich nichts von dieser ganzen wer ist der männliche und wer der weibliche Part.

Ist es deiner Ansicht nach schwieriger sich als schwul oder lesbisch zu outen?
Ich denke generell nicht, dass es Schwule irgendwie schwieriger oder leichter haben, aber ich glaube schon, dass Männer auf Homosexualität anders reagieren, als Frauen das machen. Ich glaube, dass Männer homosexuellen Männern oftmals verachtender gegenüber treten. Auf sexueller Ebene allein glaube ich schon, dass sich Männer, Schwulen gegenüber ihrem Outing anders verhalten, als es Frauen Lesben gegenüber machen.

Gibt es etwas, was du den Leser vielleicht noch mitgeben möchtest oder vielleicht Leuten, die dein Interview lesen und sich selbst noch auf einer Reise zu sich selbst befinden?
Mut möchte ich den Leuten machen, die sich nicht trauen sich zu outen aufgrund von Freunden, Familie oder allgemein wegen dem Umfeld oder auch generell wegen Unsicherheiten, weil man sich selbst noch nicht richtig gefunden hat. Jeder sollte so leben wie er möchte und nicht so wie es die Anderen wollen. Wenn das Umfeld einen nicht so akzeptiert, wie man eigentlich ist, ist es vielleicht auch nicht das richtige Umfeld oder die richtigen Menschen für einen. Man lebt ja nur einmal und dann sollte man das Leben auch so ausleben, wie man es möchte und für richtig hält. Vielleicht an die Leute, die sich noch unsicher fühlen: Ich gebe euch den Tipp vielleicht am besten mit wem zu reden, der euch nah steht und gut kennt und am wichtigsten finde ich, dass man wenn möglich, es seiner Familie persönlich sagt, auch wenn das ein großer Schritt ist.


Vielen Dank Lucie, dass du dir Zeit genommen hast!

Eine weitere starke Persönlichkeit findet ihr bei der lieben Melissa, sie hat auf ihrem Blog ziemlich gute Sachen veröffentlicht und macht dort vielen Mut zum Thema body shamig! -->   melissakeser.de