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Interview:
Lucie spricht offen über ihre Homosexualität
-Wie sie ihrer Homosexualität
im Alltag begegnet-
Ich
kenne Lucie jetzt schon ziemlich lange. Um genau zu sein seit der Grundschule
und ich war ziemlich überrascht, als ihr Outing publik wurde. Doch warum ist
man immer überrascht, wenn sich jemand outet? Statistiken besagen, dass in
einer gemischten Gruppe von 40 Leuten eine Person dabei ist die homo/bi-sexuell
veranlagt ist und trotzdem haben viele immer ein komisches Gefühl dabei, wenn
sich jemand aus dem nahen Bekanntenkreis oder jemand aus der Familie outet. Heutzutage
ist es keine Schande mehr offen zu seiner Sexualität zu stehen. Stars haben es
auch getan. Elton John, Cara Delevingne, Kristen Stewart, Neil Patrick Harris,
Ellen Degeneres. Sie haben es alles getan. Sich geoutet. Klar geht es hier auch
um Lucies Erfahrungen rund um ihr Outing, doch vielleicht schafft sie es ein
Paar Klischees aus den Köpfen zu räumen. Lucie ist ein total starkes Mädchen
und ich freue mich so sehr darüber, mit welch einem Selbstbewusstsein sie ihr
Outing lebt.
Wem hast du dich mit dem
Gedanken ,, Ich bin Lesbisch ‘‘ zuerst zugewandt?
Ich
bin als aller erstes zu meiner besten Freundin gegangen. Wir sind irgendwie
spontan auf das Thema gekommen und dann habe ich ein bisschen weitergebohrt. Im
weiteren Gespräch kamen wir auch auf so typische Fragen wie ‚, Findest du das
schlimm wenn jemand lesbisch ist?‘‘ Als wir dann noch ein wenig
weitergequatscht hatten, lenkte ich das Gespräch ein wenig in die Richtung und
habe mich einfach getraut und ihr gesagt, dass ich lesbisch bin. Sie hat das
alles cool aufgenommen und ich war ziemlich erleichtert es gesagt zu haben.
Als du dich dann bei
deiner besten Freundin geoutet hattest und nach und nach immer mehr Leuten in
deinem Freundeskreis alles erzählt hattest, blieben ja noch deine Eltern und
deine Familie. Warst du da besorgt es könnte sich viel verändern oder sogar auf
Abneigung stoßen zu all dem, dass dein Stiefvater ehemaliger katholischer
Pastor ist?
Vorerst
hatte ich ziemlich Angst vor meinem Outing in meiner Familie, aber ich
konnte/wollte es auch einfach nicht mehr verheimlichen. Als erstes habe ich
mich meiner Mama anvertraut, da ich mit ihr mehr im Kontakt stehe als mit
meinem Papa, da ich bei ihr wohne. Das war eigentlich eine mehr oder wenige
spontane Aktion. Wir waren zusammen im Urlaub und wollten abends zum Strand, da
habe ich mir schnell einen Pullover von meiner Freundin drübergezogen und da
das schon eher nen bolleriger Pullover war hätte man vermuten können das er von
einem Jungen sein könnte. Meine Mama hat mich dann immer weiter gelöchert von
wem der Pulli sein könnte bis ich ihr dann gesagt habe, dass das der Pullover
meiner Freundin ist und wir zusammen sind. Sie hat es aber auch echt gut
aufgenommen und mich gedrückt und gesagt ,,Ich will einfach, dass du glücklich
bist. ‘‘.Meinem Stiefvater, der auch mit im Urlaub war, wollte ich das alles
irgendwie nicht sagen. Ich hatte halt einfach Angst vor seiner Reaktion und
dann habe ich Mama gefragt, ob sie das für mich vielleicht ein wenig übernehmen
könnte. Auch er hat total toll reagiert ‚, Du sollst lieben, wen du möchtest,
wenn du damit glücklich bist freue ich mich für dich! ‘‘ und hat mich in den
Arm genommen. Nachdem es dann die eine Hälfte wusste musste ich es der anderen
Seite auch noch sagen. Mit meinem Papa gehe ich zwischendurch mal essen, da wir
uns nicht mehr so oft sehen. Wenn wir dann unterwegs sind, reden wir viel über
neue Dinge und was halt eben so ansteht. Da kam dann auch die Frage nach der
Liebe auf, ob es bei mir jemanden gäbe. ‚,Ja es gibt wen, aber egal‘‘. Als ich
dann gelöchert wurde mit allen erdenklichen Möglichkeiten an Partnern, ob es
ein Rollstuhlfahrer, jemand mit Behinderung, jemand viel älteres sei und ich
immer mit nein geantwortet habe, hat er nach einem Mädchen gefragt und ich habe
dann einfach zugestimmt. Von allen und auch von meinem Papa habe ich meine
absoluten Wunschreaktionen bekommen! Er meinte einfach ,, Ich bin da ziemlich
offen, es ist egal wen du liebst! Ich Freue mich für dich‘‘
Du warst ja vor deiner
Freundin auch schon mit Jungs zusammen und auch in sie verliebt, wie hast du
das mit dir selbst ausgemacht bzw. wie hast du gemerkt, dass du lesbisch bist?
Klar
habe ich damals schon mal darüber nachgedacht etwas mit einem Mädchen
anzufangen, aber man gesteht sich das ja nicht direkt ein. Ich weiß nicht ob
aus heutiger Perspektive ,,verliebt sein‘‘ der richtige Ausdruck ist. Das was
ich jetzt für meine Freundin empfinde ist irgendwie auf einer ganz anderen Ebene.
Ich meine klar ich bin auch älter geworden, aber das fühlt sich für mich jetzt
richtig an und das ist auch gut so.
Wie haben deine
Ex-Freunde reagiert? Weißt du da von irgendwelchen Reaktionen?
Also
so wirklichen Kontakt habe ich da nicht mehr, aber das was man dann doch hört
soll ganz positiv sein. Ich habe gehört man ist glücklich, dass ich wen
gefunden habe den ich liebe und ich auch so lieben kann, wie ich es wirklich
möchte.
Was gibt dir eine Frau,
was dir ein Mann nicht geben kann?
Das
hängt nicht vom Geschlecht ab. Gefühle sind Gefühle und entstehen aufgrund der
Tatsache, dass man jemanden gern hat. Ich glaube so könnte auch ein Hetero
antworten. Auf der sexuellen Basis ja klar, das ist ein Unterschied, aber von
den Gefühlen her nicht.
Wann hast du das erste
Mal gemerkt, dass du dich für Mädchen interessierst?
Bewusst
geworden ist mir das beim Feiern. Ich habe da halt vorwiegend mehr nach Mädchen
Ausschau gehalten, was auf ein heterosexuelles Mädchen ja eigentlich nicht
passt. Und irgendwie war das auch anders als sonst.
Auf was wir Jungs bei
Mädchen achten ist ja eigentlich bekannt, aber auf was achten lesbische Mädchen
bei Mädchen?
Also
rein optisch gesehen ist es ja so, dass man einen bestimmten Typ von Mensch
immer für sich bevorzugt. Ich gucke da meist schon immer aufs Gesicht als
ausschlaggebendes ‘Kriterium‘, aber andere Blicke gibt es natürlich auch
.
Habt ihr bei euch in der
Beziehung einen männlichen oder weiblichen Part bzw. was hältst du im
Allgemeinen von einer Rollenverteilung in homosexuellen Beziehungen?
Ich
finde sowas Quatsch. Eine Verteilung von ,,Rollen‘‘ ist Charaktersache und
hängt nicht vom Aussehen ab. Allgemein halte ich nichts von dieser ganzen wer
ist der männliche und wer der weibliche Part.
Ist es deiner Ansicht nach
schwieriger sich als schwul oder lesbisch zu outen?
Ich
denke generell nicht, dass es Schwule irgendwie schwieriger oder leichter
haben, aber ich glaube schon, dass Männer auf Homosexualität anders reagieren,
als Frauen das machen. Ich glaube, dass Männer homosexuellen Männern oftmals
verachtender gegenüber treten. Auf sexueller Ebene allein glaube ich schon,
dass sich Männer, Schwulen gegenüber ihrem Outing anders verhalten, als es
Frauen Lesben gegenüber machen.
Gibt es etwas, was du
den Leser vielleicht noch mitgeben möchtest oder vielleicht Leuten, die dein
Interview lesen und sich selbst noch auf einer Reise zu sich selbst befinden?
Mut
möchte ich den Leuten machen, die sich nicht trauen sich zu outen aufgrund von
Freunden, Familie oder allgemein wegen dem Umfeld oder auch generell wegen
Unsicherheiten, weil man sich selbst noch nicht richtig gefunden hat. Jeder
sollte so leben wie er möchte und nicht so wie es die Anderen wollen. Wenn das
Umfeld einen nicht so akzeptiert, wie man eigentlich ist, ist es vielleicht
auch nicht das richtige Umfeld oder die richtigen Menschen für einen. Man lebt
ja nur einmal und dann sollte man das Leben auch so ausleben, wie man es möchte
und für richtig hält. Vielleicht an die Leute, die sich noch unsicher fühlen:
Ich gebe euch den Tipp vielleicht am besten mit wem zu reden, der euch nah
steht und gut kennt und am wichtigsten finde ich, dass man wenn möglich, es
seiner Familie persönlich sagt, auch wenn das ein großer Schritt ist.
Vielen
Dank Lucie, dass du dir Zeit genommen hast!
Eine
weitere starke Persönlichkeit findet ihr bei der lieben Melissa, sie hat auf
ihrem Blog ziemlich gute Sachen veröffentlicht und macht dort vielen Mut zum
Thema body shamig! --> melissakeser.de