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In
der Bahn getroffen
,, Eine Geschichte aus der Sicht eines
jungen Flüchtlings aus dem Iran‘‘
Kurz
vor ab:
Neulich
im Fernsehen lief ein Bericht über den Parteitag der AFD. Es war klar, dass man
in diesem Kontext der Intoleranz höchst persönlich begegnet. Es wunderte mich deshalb
auch nicht, dass die Deppen mal wieder, eigentlich wie immer, die
Flüchtlingskrise als Legitimation ihrer radikalen Äußerungen nutzten.
Deutschland hat im Laufe des letzten und diesem Jahr unzählige Massen an
Flüchtlingen in unser Land aufgenommen um diese Leute zu schützen. Schutz vor
Krieg, Terror und sozialer Not. Beim angucken des Beitrags fiel mir eine
Begegnung mit einem jungen Flüchtling ein. Ich habe vor einiger Zeit Mister X
in der Bahn auf dem Weg nach Herford getroffen und konnte mich gut, zwischen Deutsch
und Englisch schwankend mit ihm unterhalten. Ich kann damit bestätigen, dass
dieser Krieg der dort geführt wird real ist. Diese Leute brauchen wirklich
unsere Hilfe. Oft hört man dumpfe Stimmen, die sich erheben. Erheben um dagegen
zu protestieren Menschen in Notlage zu helfen, weil sie fürchten Opfer von
Ausbeutung zu werden. Wenn man sich an die eigene Nase packt und mal wirklich
darüber nachdenkt, welchen Nachteil man als einzelne Person aus der sogenannten
Flüchtlingskrise zieht, ist dieser nicht vorhanden und wenn dann so gering,
dass man sich selbst eingestehen muss, dass es lächerlich wäre diese Gedanken
publik zu machen. Asyl geben um irgendwann vielleicht Asyl zu bekommen.
Jetzt
zu den übertragenen Worten von Mister X :
Der
Krieg hatte uns schon länger eingeholt. Seitdem ich klein war kannte ich das
Szenario mit den Bomben. Sie fielen Tag ein Tag aus. Zwischendurch war tagelang
Pause. Wir hofften auf ein Ende. Ein Ende von einer Zeit die uns den Atem
nimmt. Ich erinnere mich gut an den Tag als das erste Mal auch meine
Nachbarschaft bombardiert wurde. Nichts ahnend saßen wir am Tisch und aßen zu
Mittag. Eigentlich waren wir noch dabei unser Dankesgebet zu sprechen. Wir
dankten täglich dafür verschont geworden zu sein. Wir beteten aber schon lange
nicht mehr dafür, dass der Krieg aufhören sollte, weil es uns sinnlos erschien.
Ein Knall wie ich ihn noch nie hörte fuhr über meinen ganzen Körper. Überall
war Glas und Beton. Mauerwerk im Essen, Glas im Gesicht, einfach überall. Die
Bombe schlug direkt in das Haus meiner Nachbarin ein. Eine 79 jährige alte
Dame, die nicht mal mehr stark genug
gewesen wäre zu flüchten. Es traf sie und es traf uns. Aus dem Fenster schauen
brauchte ich nicht mehr, denn wo unser Fenster war, zierte jetzt ein riesiges
Loch die Hauswand. Die Bomben fielen im Minutentakt. Wir rannten in den Keller
und warteten dort. Erst ein paar Minuten. Dann eine Stunde. Irgendwann wurden
daraus Stunden. Eins wussten wir: in diesem Haus zu bleiben wäre unserer
sicherer Tod, doch wohin sollen wir sonst gehen? Zusammengekauert in der
letzten Ecke des Kellers machte sich mein Vater Gedanken darüber wie es weiter
gehen soll. Ich werde diese Angst nicht vergessen. Die Angst davor in diesem
Keller sterben zu müssen. Die Lage schien sich nach einer Gefühlten Ewigkeit
beruhigt zu haben. Wir sind aus dem Keller rausgekommen und von unserem Haus
und der Nachbarschaft stand nichts mehr. Alles was mal war, lag vor uns in
Trümmern und Asche. Wochenlang haben wir uns durchgeschlagen zur türkischen
Grenze. Mal nahm uns jemand mit dem Auto mit, mal mussten wir laufen. Meine
Füße waren wund. Ich war ausgelaugt und bis zum Rest erschöpft. Ich wollte
sterben. Wirklich. Der Tod schien für mich die letzte Option zu sein. Doch
aufgeben war nicht drin. Es hat mich beschämt mich so zu fühlen. Alles was ich
zu diesem Zeitpunkt sah war das Durchhaltevermögen meiner Eltern und das meiner
beiden Schwestern. Ich allein sah schwach aus. Ich hatte das Gefühl versagt zu
haben. Ein schwarzer Fleck der Familie zu sein, doch dann erreichten wir die
Türkei. Dort angekommen leitete man meine Schwestern und mich nach Deutschland
weiter. Meine Eltern hatten darauf kein Anrecht. Man riss uns auseinander und
ich verstehe nicht warum. Wir hatten den harten Weg durch den Bombenregen,
zertrümmerte Städte und von Terroristen eingenommene Gebiete als Familie
durchgestanden und überlebt und jetzt trennte man uns. Ich habe von diesem Tag
an von meinen Eltern nichts mehr gehört. Es frisst mich an manchen Tagen von
innen auf nicht zu wissen was mit ihnen los ist. Ich schwimme in Ungewissheit,
Tag für Tag durch einen See voller Zweifel. Zusammen in der Türkei zu bleiben,
war für meine Eltern damals keine Option, hätte uns zumindest zusammengehalten.
Sie beteuerten uns, dass die Reise nach Deutschland für uns drei Geschwister
das Beste und Sicherste sei. Sie hatten damit nicht Unrecht. Ich bin dankbar
für jeden Tag den ich in diesem Land leben darf. Ich lebe hier in einer
Gesellschaft die sicher ist. Hier brauche ich keine Angst davor zu haben, ob
morgen Terroristen mein Haus stürmen, um mich zu exekutieren. Auch das kam in
meiner Heimatstadt vor. Ich bin grade dabei die Sprache hier zu lernen, doch
manchmal stoße ich auf Unverständnis darüber, dass ich nach einem Jahr
Aufenthalt in Deutschland die Sprache nicht fließend und mit einigen Fehlern
noch spreche. Ich verstehe diese Leute, aber gleichzeitig verstehe ich diese
Leute auch nicht. Ich begegne jeden Tag neuen Herausforderungen hier, die ich
versuche zu meistern. An manchen Tagen besser, an manchen Tagen auch
schlechter, an manchen Tagen schaffe ich es aber auch gar nicht. Mir wird dann
nachgesagt, dass ich faul bin, doch es wird auch vergessen, dass ich jeden Tag
im Kampf mit mir selbst stehe. Ich bin froh nur das erlebt zu haben, was ich
erlebt habe. In meinem Flüchtlingsheim gibt es Leute für die ich jeden Tag
bete. Sie wurden mit Sachen konfrontiert, die ich mir nicht einmal ausmalen
kann, obwohl mir die Geschichte dazu erzählt wurde. Ich bin dankbar für die
Unterstützung die ich hier bekomme und kann niemals das zurückgeben, was ich
hier bekommen habe. Dankbar über Frieden in meinem Land, dem Iran, wäre ich
noch viel mehr. Alles zu verlieren und so viel zu bekommen zerreißt mich. Ich
liebe den Iran und Deutschland ist für mich die beste Möglichkeit, dem zu
entgehen was mich mit Sicherheit den Kopf gekostet hätte. Sobald ich weiß, dass
ich im Iran wieder in Sicherheit und Frieden leben kann, dann ist der Iran mein
erstes Ziel. Nicht weil ich Deutschland nicht mag, sondern weil dort meine
Wurzel liegen und man dort zu Hause ist wo das Herz seinen Platz hat. Ich sage
dir eins, mein Herz hängt momentan an einer zerbombten Siedlung und wartet
darauf von mir geflickt und abgeholt zu werden…
Ich
möchte mit diesem Text all denen die Stimme nehmen, die immer noch meinen, dass
es legitim sei Flucht mit Hass zu bekämpfen. Danke für eure Zeit, die ihr mit
dem Artikel verbracht habt.